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Autoren-Thread : Bretzelburger

Begonnen von Bretzelburger, 26 Januar 2007, 03:22:54

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psychopaul

Okay, dann streichen wir das Beispiel.  :icon_smile: Kannst dich wieder umdrehen und in Ruhe weiter schlafen, Ingmar!  :icon_redface:  :icon_mrgreen:
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Bretzelburger

Ich halte die Diskussion hier zwar für interessant, aber letztlich für pseudo-kontrovers, da die Beteiligten (auch die zitierten) keine besonders unterschiedliche Auffassung haben. Viel mehr basieren die Diskussionen auf Begrifflichkeiten, zu denen nun mal jeder anderer Assoziationen pflegt, worin ich den Hauptgrund für die Diskussion sehe. So war auch mein von McKenzie zietierter "Filmkünstler" in Anführungszeichen gesetzt, um dem ganzen die Schwere des Enrnstes zu nehmen.

Gerade der Begriff des "Bildungsbürgers" ,der heute als einer der schlimmsten Begriffe durch die Argumentationen geistert, hat sich doch vollständig von seinem ursprünglichen Ansinnen gelöst. Nach dem zweiten Weltkrieg ging es um eine möglichst umfassende Bildung für alle Schichten, die eine Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt erzeugen sollte. Gerade weil diese Initiative durchaus erfolgreich war, erzeugte sie irgendwann einmal die umgekehrte Wirkung. Bildung wurde plötzlich hochnäsig, elitär und überzogen intellektuell, sozusagen als Standesdünkel missbraucht. Und wie fast immer basiert Standesdünkel eher auf einer Vorspiegelung falscher Tatsachen. Glaubt Irgendjemand hier, dass sich Leute, die sich Champagner schlürfend auf irgendwelchen Vernissagen herumdrücken und dabei pseudo-gebildetes Zeug schwafeln, Godard ,Antonioni oder Kluge lieben ?

Ich habe solche Exponenten in meiner Familie, die jahrzehntelang zu den Salzburger Festspielen rannten und ständig nur über Karajan und andere berühmte Dirigenten redeten. Die konnten keinen Bach von Telemann unterscheiden und wenn man sich mal argumentativ in etwas abseits gelegene Bereiche vorwagte (da reichte schon Mozarts Klavierwerk), war sofort zappenduster. Godard und "Konsorten" betrachten diese nur mit riesigem Unverständnis.
Viele Jahre bin ich auch zu Opernpremieren gegangen, weil ich diese ersten nervösen und oft sogar etwas schwächeren Aufführungen in ihrer Ursrünglichkeit mag. Dort erlebt man den "Bildungsbürger" in Reinkultur, der mit gehobenem sprachlichen Unsinn ("Das ist heute aber kein grosser Abend", "Ich habe X ja schon besser in Form gesehen")vor allem die Abendgaderobe begleitet. Geht einmal in eine Aufführung von Zimmermanns "Soldaten" und dieses Publikum existiert nicht mehr.

Diesen "Bildungsbürger" mag zurecht Niemand, aber das hat nichts mit einem Filmliebhaber (und Kenner) zu tun, der sich eben auch gerne intellektuell mit diesem Thema beschäftigt. Und genau das tuen wir doch alle hier. Ob Rajko keine deutschen Filme mag oder McKenzie Godard ablehnt, sind doch nur Details, die uns alle ausmachen, aber man merkt der Auseinandersetzung zum Film doch an, dass diese mit Ernsthaftigkeit und dem Wunsch nach Tiefe und Hintergrundwissen betrieben wird. Ich kann mich eben genauso an "AvP 2" wie an einem Film von Kluge delektieren - das hat nichts mit "Bildungsbürger" oder überzogenem Intellektualismus zu tun, aber andererseits versuchen wir doch alle hier, uns von primitiven, einseitigen , nur auf sich selbst bezogenen Argumentationen zu lösen. das erkennt man doch in vielen Beiträgen.

Deshalb ist doch der inflationäre Begriff des "Onanierens" oder "Masturbierens" genauso blöd wie etwa "Actioner" oder "No-Brainer", da gebe ich "Betti" völlig recht. Alles hat doch mit Selbstdarstellung zu tun, natürlich auch Godards sehr eigene Sichtweise der filmischen Dinge. Aber eben auch McKenzies Lavieren zwischen anspruchsvollem, selbstzerstörischem Perfektionismus, der aber nicht mit Intellektualismus oder gar "Bildungsbürgerlichkeit" zu tun haben darf. Hier gehts doch hauptsächlich darum ,möglichst nicht uncool zu wirken - so wie McKenzie sich auch gerne als Nerd bezeichnet. Sich selbst so zu nennen ist ja schon wieder cool. Und Rajkos Polemikvorlieben plus schnoddriger, gut formulierter Abkanzelungen, haut in die selbe Kerbe. Dabei merkt man euch doch allen die gute bürgerliche Ausbildung an - ein Glück!

Mr. Vincent Vega

 :algo:

Kann mich da irgendwer genau zitieren zwecks "Onanieren"/"Mastubieren"? Kann mich gar nicht daran erinnern, dass jetzt besonders "inflationär" benutzt zu haben bzw. das überhaupt regelmäßig einzubringen.

Muss wenn überhaupt schon lange zurückliegen oder eine einmalige Sache gewesen sein.

Des Weiteren finde ich den Begriff des Bildungsbürgers einwandfrei.

Bretzelburger

Zitat von: Mr. Vincent Vega am 11 Januar 2008, 15:30:59
Kann mich da irgendwer genau zitieren zwecks "Onanieren"/"Mastubieren"? Kann mich gar nicht daran erinnern, dass jetzt besonders "inflationär" benutzt zu haben bzw. das überhaupt regelmäßig einzubringen.
Damit warst du nicht explizit gemeint, obwohl ich von deinem Godard-Zitat ausgegangen bin, dass McKenzie so positiv darstellte.

Zitat von: Mr. Vincent Vega am 11 Januar 2008, 15:30:59
Des Weiteren finde ich den Begriff des Bildungsbürgers einwandfrei.
:icon_cool:

Um aber gleich deine Sneak-Bemerkung aufzunehmen - ja, ich brate eine Extrawurst hinsichtlich "Der Nebel". Aber nicht um dich mit "300" zu quälen, sondern weil ich merkte, dass der Film mich nicht mehr losliess. Ich war merkwürdig unbefriedigt nach dem Film, weshalb ich auch Renés Einserwertung nachvollziehen kann ,und tendierte eher zu einer vagen 5. Doch um so mehr ich mir den Film vor Augen führte, um so mehr spürte ich die Absicht dahinter. Darabont verzichtet darauf, uns zu befriedigen und das ist bei dem Genre, wo wir gefälligst klare Feindbilder und überzeugende Helden haben wollen, eher selten. Wären nicht die von Einigen zurecht beschriebenen Schwächen, die ich aber nicht für wesentlich halte (so haben die Monster eher eine funktionierende Katalysator-Funktion, also warum über die Animation oder die Logik dahinter aufregen ?), wäre es ein richtig guter Film geworden

http://www.ofdb.de/view.php?page=review&fid=137698&rid=275785

psychopaul

Das gefällt mir, bin auch jemand, der oft Schwächen verzeiht, wenn sich ein interessanter Ansatz dahinter verbirgt, der einen auch nachher noch beschäftigt.

Guter Beitrag zuvor, diese Salzburger Festspiel Gesellschaft kenn ich ja selbst auch allzu gut (dazu empfehlenswert der Film "Silentium, der da neben anderen Themen ein paar genüßliche Spitzen dazu anbietet), da musste ich stark schmunzeln.
Dass wir generell hier alle "auf der guten Seite" stehen, ist eh klar.  :icon_cool:

Btw, also zumindest mir ist es absolut scheißegal ob ich uncool bin.  :icon_mrgreen: 

(Ehrlich.  ;)  :algo: )


Übrigens hab ich vorher gesehen, am 30. Jänner kommt der erste Kottan im TV, dann kann ich das endlich mal nachholen. :)
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filmimperator

11 Januar 2008, 18:11:22 #815 Letzte Bearbeitung: 11 Januar 2008, 18:13:34 von filmimperator
Zitat von: Bretzelburger am 11 Januar 2008, 17:23:26
Darabont verzichtet darauf, uns zu befriedigen und das ist bei dem Genre, wo wir gefälligst klare Feindbilder und überzeugende Helden haben wollen, eher selten.

Ich muss einräumen, dass ich dir an dieser Stelle zustimmen muss. Thomas Jane ist zwar klar der Sympathieträger (da Hauptfigur), vermag aber nicht, die Gruppe zu führen, weswegen eben Viele zu Mrs. Carmody überlaufen. Insofern ist "Der Nebel" originell, aber auch wieder nicht schaut man sich die Situation im Supermarkt mit einer dispersen Gruppe an, die mich stark an "Dawn of the Dead" erinnerte.

Die psychologische Ebene des Films beschreibst du erschöpfend, allerdings lässt du dabei außer Acht, dass diese zuweilen etwas den Erzählfluss bremst (so finde ich es zumindest). Des Weiteren muss ich dir allerdings widersprechen: Ich finde Thomas Jane nicht überfordert. Besonders am Ende des Films, bevor der Nebel sich buchstäblich lichtet, fand ich ihn als gebrochenen Mann, der weinend kniet, sehr überzeugend. Dennoch fand ich den Film erheblich schlechter als du - ausnahmsweise gehen also unsere Meinungen signifikant auseinander  ;).

Unterschiedliche Meinungen? Chuck Norris interessieren nicht mal die Fakten!

Bretzelburger

Zitat von: filmimperator am 11 Januar 2008, 18:11:22
Die psychologische Ebene des Films beschreibst du erschöpfend, allerdings lässt du dabei außer Acht, dass diese zuweilen etwas den Erzählfluss bremst (so finde ich es zumindest). Des Weiteren muss ich dir allerdings widersprechen: Ich finde Thomas Jane nicht überfordert. Besonders am Ende des Films, bevor der Nebel sich buchstäblich lichtet, fand ich ihn als gebrochenen Mann, der weinend kniet, sehr überzeugend.
Das mit dem Erzählfluss ist mir auch aufgefallen, hat mich aber in der Nachbetrachtung weniger gestört. Wie gesagt - ich kann Jeden verstehen, der den Film als schlecht kritisiert - den positiven Eindruck bekam ich erst danach, als mir ein Licht aufging, welches Spiel Darabont mit mir veranstaltete.

Spoiler an :

Wann hast du jemals einen Film gesehen, in der von einer positiven Figur ein unbewaffneter Mensch erschossen wurde - und du als Zuschauer hast es gut geheissen ? - Natürlich war sie gefährlich, aber normalerweise findet ein Hollywood-Film immer eine Wendung, um Jemanden auf gleicher Ebene zurückzuschlagen.

Spoiler aus

Das zeigt, wie geschickt der Zuschauer hier manipuliert wird. Und die Folgen davon erkennt man eben auch in den Reviews und Meinungsäusserungen dazu.

McMurphy

Zitat von: Bretzelburger am 11 Januar 2008, 19:06:04
Spoiler an :

Wann hast du jemals einen Film gesehen, in der von einer positiven Figur ein unbewaffneter Mensch erschossen wurde - und du als Zuschauer hast es gut geheissen ? - Natürlich war sie gefährlich, aber normalerweise findet ein Hollywood-Film immer eine Wendung, um Jemanden auf gleicher Ebene zurückzuschlagen.

Spoiler aus

Das zeigt, wie geschickt der Zuschauer hier manipuliert wird. Und die Folgen davon erkennt man eben auch in den Reviews und Meinungsäusserungen dazu.

Das sehe ich etwas anders. Unbewaffnet ist in diesem Fall nicht gleichbedeutend mit harmlos. Sie war immerhin drauf und dran, die Ungläubigen lynchen zu lassen. Das Erschießen ist hier die reine Notwehr. Ein Rückschlagen mit gleichen Mitteln ist in dieser Situation absolut unmöglich.


Die Gedankengänge in Deinem Review kann ich in weiten Teilen durchaus nachvollziehen, aber vor allem im vorletzten Absatz weicht unsere Sichtweise doch stark voneinander ab:

Zitat von: BretzelburgerGenauso wie der Nebel niemals eine klare Sicht auf die Bedrohung zuliess, entlässt der Film den Zuschauer ohne Gewissheit darüber, wessen Interpretation der Situation sich im Endeffekt als richtig erwies.

Zum einen waren zumindest Teile der Bedrohung durchaus klar zu erkennen, vor allem jene, die durch den Supermarkt flogen. Unklar war allerdings das Ausmaß des Nebels und somit der Bedrohung. Recht klar war aber am Ende, wessen Interpretation sich als richtig erwies. Die Flüchtenden hatten eindeutig das Nachsehen gegenüber den Aussitzern. Ein tatsächlich offenes Ende wäre an dieser Stelle sehr viel ungewisser.

Und noch zur Fanatikerin:

Zitat von: BretzelburgerHardens Spiel ist es zu verdanken, dass sich der Film eine manchmal zynische religiöse Symbolik erlauben kann, ohne in eine verherrlichende Richtung abzukippen, da immer der Wahnsinn in Mrs.Carmodys Verhalten erkennbar ist.

Ich sehe da im Verhalten keinen allzu großen Unterschied zu amerikanischen Fernsehpredigern, weswegen ich nicht daran glaube, daß ihr Wahnsinn für alle so klar ersichtlich wie für uns ist.
- "I see your front tyre's going a bit flat on you there, Burt."
- "Oh yeah, well the good news is, it's only flat on the bottom."
(aus "The World's Fastest Indian")

Mr. Vincent Vega

Deine THE MIST-Besprechung finde ich in der Gesamtheit leider ziemlich nichtssagend. Wirkt auf mich wie eine etwas spröde Interpretation, die weder oberflächlich, noch besonders tiefgründig daherkommt, die sich  - wie auch schon bei deiner EASTERN PROMISES-Besprechung - nur mit der Zerlegung einzelner Szenen, Nacherzählungen der Handlung und Deutungsansätzen aufhält. Ein wenig kam mir erneut der von fastmachine mal angebrachte "Feuilleton im Endstadium"-Gedanke in den Kopf, mir fehlt da die Analyse, vor allem das filmanalytische Element, mir ist die Kritik viel zu Aufsatzmäßig, viel zu unfilmisch, viel zu abstrakt und nicht greifbar. Du bringst den Film auf eine besondere Ebene der persönlichen Wahrnehmung, die mir völlig fernab meiner Sichtweise erscheint und auch kaum nachvollziehbar ist. Du entfernst dich gefühlsmäßig vom eigentlichen Objekt und sinnierst über diesen und jenen Handlungsabschnitt, ohne den Film an klar erkennbaren, allgemein verständlichen, ich will nicht sagen objektiven, aber doch sachlichen Punkten festzumachen, an seiner grundsätzlichen Inszenierung - die ich z.B. grottenschlecht fand. Diese unausgegorene Kamera, diese dilettantischen Schauspieler (Thomas Jane wird kurz angerissen), diese Nicht-Ausnutzen des filmischen Raumes, dieser peinlich-plumpe Versuch des Films, das ganze als Gesellschaftsquerschnitt + Gegenwartsmetapher anzulegen, dieser unentschlossene Sprachstil zwischen Drama und Horror, Naturalismus und Stilisierung, dieses pseudo-konsequente und aufgesetzte Ende, das in keiner Relation zum Rest des Films steht... Ist zwar Ansichtssache, aber man könnte all deine Punkte auch genauso leicht negativ werten, der eine lobt den Film für seine Offenlassung der Phänomene ("Genauso wie der Nebel niemals eine klare Sicht auf die Bedrohung zuliess, entlässt der Film den Zuschauer ohne Gewissheit darüber, wessen Interpretation der Situation sich im Endeffekt als richtig erwies."), der andere könnte dem ganzen vorwerfen, möglichst viel Spektakel zu konstruieren, ohne weiter zu denken und auszuformulieren. Für mich war das alles reiner Mumpitz, unentschlossen von A bis Z, inkonsistent im Ton, der Regie und der ganzen Konzeption, wie die Lightversion von Spielbergs WAR OF THE WORLDS oder die Sparausgabe von Romeros DAWN OF THE DEAD.

Bretzelburger

Ich kann deine Kritikpunkte komplett nachvollziehen und widerspreche dir gleichzeitig. Die Nummer mit "Feuilleton im Endstadium", die Fastmachine selbst schon relativiert hat, birgt inzwischen für mich eine unfreiwillige Komik, da sie zu einem Zeitpunkt ausgesprochen wurde, als meine Texte noch völlig anders aussahen. Trotzdem ist dein Ansatz nicht falsch, da ich "Der Nebel" (und auch wie du richtig hinzufügst" Tödliches Versprechen") eher interpretatorisch besprochen habe - anders als zuletzt etwa "The Flock". Ich mache da je nach Film und eigenem Empfinden (ich habe ja einiges dazu in meinem Thread geschrieben) Unterschiede.

Da ich deine Kritik an "Der Nebel" ernst nehme, habe ich deine hinzugezogen, um besser zu begreifen, wo aus deiner Sicht Verbesserungen zu sehen sind. Dabei fällt schon von vornherein dein Ansatz auf, den du zum Schluss noch einmal wiederholst :

ZitatWenn King indes seine eigenen Verfilmungen lobpreist, ist erst einmal Vorsicht geboten
ZitatDoch die Regel greift ein weiteres Mal: Was der Horrormeister hier begeistert durchgehen lässt, ist nicht weniger als der unerträglichste Genremumpitz der Saison.
Zitatdieser Müll ist ein ernsthafter Anwärter auf die schlechteste King-Verfilmung aller Zeiten

Nichts gegen plakative Sätze, die jeder King-Jünger (zu denen ich nicht zähle) sicherlich gut nachvollziehen kann, aber für mich stecken in solchen Sätzen auch keine Wahrheiten, sondern nur persönliche Ansichten, mit denen ich absolut nichts anfangen kann. Dass der Film noch schlechter sein soll als "Dreamcatcher" hat für mich überhaupt keine Bedeutung, wenn ich mir eine Kritik durchlese, um einen Film zu sehen.

Nach deinen opulenten King-Vergleichen kommst du dann endlich zum Film und gehst sprachlich in die Vollen :

ZitatEin Sturm hat fast das Haus zerlegt, aber Ehemann und Superpappi David Drayton (Thomas Jane) hat die Zügel fest im Griff.
ZitatZufälligerweise hat sich im Einkaufszentrum ein illustrer Querschnitt der US-amerikanischen Bevölkerung inklusive religiösen Fanatikern (Marcia Gay Harden) und missverstanden Soldaten (Sam Witwer) eingefunden

Solche Sätze kommen natürlich immer gut, aber deshalb sind sie nicht richtig. Von "Super-Pappi" habe ich nichts gemerkt, denn Thomas Jane hat für mich nie die Stärke eines typischen Helden, selbst sein späterer Aktionismus wirkt auf mich gebremst. Auch der illustre Querschnitt, den du da siehst, beruht nicht auf Tiefenforschung innerhalb des Films ,sondern auf Vorurteilen. Mir fehlen hier eine Vielzahl an Prototypen der amerikanischen Gesellschaft (so gibt es hier nur einen ortsfremden Grossstädter), aber ich erkenne tatsächlich gut das Kleinstadtmilieu. Diese Art deiner Wortwahl ist typisch für dich, denn mit Durchschnittsbegriffen oder Abwägungen hältst du dich nicht auf. Begriffe wie "Super-pappi", "illustre" und der(schlicht falsche)Plural bei "religiösen Fanatikern" sollen gleich mal richtig Stimmung machen. Hier weiss Jeder, wo die Reise hingeht...

Und dann fängst du an zu begründen (streng filmwissenschaftlich natürlich) :

ZitatDie Spannungen und Reize, die eine derartige Situation heraufbeschwört, versteht Darabont zu keiner Zeit in subtile Schreckensmomente zu übertragen. Anstatt den stetig wachsenden Druck innerhalb der Gruppe als eigentliche Gefahr sichtbar zu machen, kreiert er nur plumpe Wutausbrüche innerhalb der standardisierten Ausgangssituation.
ZitatDa der Film das altbekannte Szenario jedoch ohne Ideen, inszenatorische Finesse oder überhaupt irgendeinen Regieeinfall abspult, wird aus der anfangs noch leidlich atmosphärischen Geschichte bald ein sterbenslangweiliges Theaterstück.
ZitatDie gegenwärtigen TV-Produktionen entlehnte Kamera wackelt und zoomt ziellos vor sich her, während man wahlweise über die unnötig schlechten Effekte der K.N.B.-Jungs, den grausamen Ethno-Score, sowie die immensen Logikprobleme des Drehbuchs staunt.
ZitatWas Marcia Gay Harden als vermeintlich Gottgetriebene hier an Schauspielschulenniveau erinnerndes Over-Acting auffährt, wird eigentlich nur noch vom völlig unbeteiligten, mit aufgesetzter Ernsthaftigkeit dreinschauenden Thomas Jane überflügelt

Ich bin immer wieder begeistert davon, wie genau du die Missetaten dieser Berufsanfänger sezierst und mit deinem durch unzählige Filme geschulten Blick sofort durchschaust. Ich traue mir das nach dem einmaligen Ansehen des Films nichts zu. Umgekehrt ist in deiner Kritik kein Fünkchen davon zu erkennen, was die Macher sich vielleicht (ausser natürlich dauernd Drogen zu nehmen, wie du effektvoll kolpoltierst)dabei gedacht haben. Ob sie irgendeine Idee, eine Intention oder sogar eine Absicht hatten, die dir nicht sofort aufgefallen ist, weil du den Film eben scheisse fandest.

Und dagegen ist gar nichts zu sagen, wie ich schon mehrfach bemerkte. Tatsächlich ging es mir gar nicht so viel anders nach dem Verlassen des Kinos und ich hätte einen ähnlichen Verriss wie du schreiben können (natürlich ohne deine sprachliche Brillanz). Aber mir gingen danach noch viele Punkte durch den Kopf und ich spürte eine Verwirrtheit, die ich bei so klar schlechten Filmen sonst nicht bemerke (druff und weg!). Deshalb habe ich einen bewusst abstrakter formulierten Text gewählt, der diese Denkansätze verdeutlichen soll. Ich wollte nicht in das argumentative Einerlei einstimmen, sondern Aspekte aufzeigen, die vielleicht den Einen oder Anderen zumindest zum Nachdenken bringt. Nicht nur ihr habt bei der Tötungsszene geklatscht, aber ich verstehe nicht, dass ihr nicht erkennt, dass dahinter eine bewusste Manipulation steckt - ihr wolltet, dass sie stirbt. Aber nicht, weil Marcia Gay Harden so schlecht war, sondern ihre Figur mehr und mehr nervte (aber vielleicht ist das bei euch eben anders).

Ich denke, dass wir sehr unterschiedliche Intentionen und Zielgruppen bei unseren Texten haben. Du bist meist plakativer, von mir aus auch konkreter in deinen Formulierungen, aber du schreibst bewusst für ein junges Publikum, dass deine sprachlich gut formulierten Tiraden delektiert. Ich lese dich auch gerne (und mich interessiert auch deine Meinung), aber du bleibst für mich letztendlich in der Begrifflichkeit eines Films nicht weniger abstrakt oder oberflächlich, wie ich es für dich bin.






Vince

12 Januar 2008, 17:45:57 #820 Letzte Bearbeitung: 12 Januar 2008, 17:48:16 von Vince
Ich muss Mr. VV allerdings zustimmen, er hat eigentlich recht gut ausgedrückt, wie ich deine Kritik empfunden habe. Obwohl ich mich ja über deine Note gefreut habe, da sie bestätigt, dass man bei diesem Film durchaus geteilter Meinung sein kann, was einen "guten schlechten Film" letztendlich auch ausmacht. Soll heißen, es ist offenbar kein simpler Genreschnarcher, der ausschließlich mit vorhersehbaren Klischees hantiert. Offenbar besitzt er die Gabe, (negativ) zu überraschen. Das finde ich schon mal gut.
Aber es ist mit Sicherheit eine deiner schlechteren Kritiken, zumindest konnte ich nichts daraus mitnehmen, abgesehen von der obigen Erkenntnis. Der Text war für mich relativ nichtssagend, wobei abzuwarten bleibt, wie er auf mich wirkt, wenn ich den Film kenne. Ich werde mir deine Kritik dann nochmal durchlesen.

Interessanterweise war übrigens auch die Filmstarts-Kritik die mit Abstand nichtssagendeste, die ich auf der Plattform seit langer Zeit gelesen habe.

Bretzelburger

Zitat von: Vince am 12 Januar 2008, 17:45:57
Der Text war für mich relativ nichtssagend, wobei abzuwarten bleibt, wie er auf mich wirkt, wenn ich den Film kenne. Ich werde mir deine Kritik dann nochmal durchlesen.
Du wirst feststellen, dass es nicht leicht ist, konkret zu werden, ohne zu viel darüber zu verraten. Allerdings erkenne ich auch in Mr.VV's Kritik wenig aussagekräftige Argumente. Es ist immer leichter, einen Verriss mit den üblichen sprachlichen Stereotypen hinzulegen. Ich gehe durchaus selbstkritisch mit meinen Texten um und habe zu Hause auch einen wenig rücksichtsvollen "Chefkritiker", aber ich halte meinen Text zu "Der Nebel" keineswegs für schwach.

Mr. Hankey

12 Januar 2008, 18:01:04 #822 Letzte Bearbeitung: 12 Januar 2008, 18:06:25 von Mr. Hankey
ZitatNicht nur ihr habt bei der Tötungsszene geklatscht, aber ich verstehe nicht, dass ihr nicht erkennt, dass dahinter eine bewusste Manipulation steckt - ihr wolltet, dass sie stirbt. Aber nicht, weil Marcia Gay Harden so schlecht war, sondern ihre Figur mehr und mehr nervte (aber vielleicht ist das bei euch eben anders).
Auch wenn ich mit meiner Meinung zu Deiner Kritik diesesmal größtenteils hinter Vince und Vince stehe, so muss ich dir zumindest in diesem Punkt recht geben. Das Mr. VV Gay Hardens Spiel hier als schlecht tituliert läßt auf mich den Eindruck erwirken, dass er die nervige Figur voll und ganz mit ihrem Spiel verwechselt! Denn so nervig die Figur im Endeffekt auch ist, Gay Hardens Spiel ist so intensiv, dass wirklich ein jeder im Saal den Tod oder zumindest das Verschwinden dieser Figur herbeiwünscht. Sie hätte die Figur sicher auch anders spielen können, aber dann wäre der Wunsch nach dem Verschwinden der Figur, was definitiv die Absicht der Macher war (egal was man davon im Endeffekt hält) definitiv nicht so vorhanden, wie hier! Deshalb, Gay Harden hat ihre Figur, so nervig diese auch immer ist, mit Bravour dargestellt!

Zitatwie die Lightversion von Spielbergs WAR OF THE WORLDS
Wobei dieser im Endeffekt auch nur geringfügig besser ist! :icon_twisted: ;)
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Vince

@BB: VV's Kritik ist reißerischer, natürlich. Hinter deiner stecken mit Sicherheit auch mehr Überlegungen, aber mein Eindruck ist, dass man mit ihr nicht viel anfangen kann, zumindest solange man den Film nicht kennt - was zumindest bei einem frisch angelaufenen Film ja eine gewisse Problematik birgt.

Ist auch nur ein Spontaneindruck, ich habe die Kritik bisher nur sehr oberflächlich rezipiert, so wie es naturgemäß die meisten User tun werden, die draufklicken.

Bretzelburger

Zitat von: Vince am 12 Januar 2008, 18:02:58
aber mein Eindruck ist, dass man mit ihr nicht viel anfangen kann, zumindest solange man den Film nicht kennt - was zumindest bei einem frisch angelaufenen Film ja eine gewisse Problematik birgt.
Ich sehe es genau umgekehrt. Man kann sich nach meiner Kritik noch sehr gut ein eigenes Bild machen, ohne schon übertrieben eingenordet zu sein - zumindest war das von mir so beabsichtigt.

Zitat von: Mr. Hankey am 12 Januar 2008, 18:01:04
Auch wenn ich mit meiner Meinung zu Deiner Kritik diesesmal voll hinter Vince und Vince stehe
meiner Ansicht ging es bei der Kritik nich um meine Meinung zum Film, sondern um den Text als solchen.

Vince

Zitat von: Bretzelburger am 12 Januar 2008, 18:06:47
Ich sehe es genau umgekehrt. Man kann sich nach meiner Kritik noch sehr gut ein eigenes Bild machen, ohne schon übertrieben eingenordet zu sein - zumindest war das von mir so beabsichtigt.

Das ist das Problem - Absicht und Wirkung sind oft zwei verschiedene Paar Schuhe. Kenn ich zu Genüge aus eigener Erfahrung. ;)

Bretzelburger

okay, ich werde den Text noch mal überdenken. Vielleicht kann ich ihn - ohne zu viel zu verraten - noch mit konkreteren Aussagen erweitern.

Mr. Hankey

Zitatmeiner Ansicht ging es bei der Kritik nich um meine Meinung zum Film, sondern um den Text als solchen.
Die meinte ich auch damit! Für mich ist der Text ebenfalls relativ nichtssagend und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man als Nichtkenner des Films ziemliche Schwierigkeiten damit haben kann. Du bringst zwar viele der Punkte ein, die dir schon bei unserem kleinen Gespräch nach der Sneak durch den Kopf geschossen sind ein, aber dafür fehlt mir in Sachen Filmanalyse doch so einiges. Zwar soll es ja jetzt nicht akribisch genau sein, oder in 08/15-Bahnen abrutschen, doch wenigstens ein bisschen Kritik und Beleuchtung der eigentlichen filmischen Details des Films, wären schon wünschenswert gewesen. Hätte ich den Film noch nicht gesehen, ich hätte definitiv Probleme mit dem Text. Und wie ich dich kenne, willst du mit Deinen Texten doch eigentlich schon erreichen, auch die Leute auf die Filme neugierig zu machen, die sonst nur ab und zu mal einen Streifen im Kino sehen! Glaube aber nicht, dass das mit diesem Text so einfach wird. Ist aber, wie Vince schon sagt, nur mein persönlicher Eindruck!
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Mr. Vincent Vega

@Bretzelburger:

Ich finde es relativ unnötig, dass du auf meine Kritik mit Gegenkritik reagierst. Ich habe dein Review gelesen und meinen Eindruck darüber geschildert, was - auch wenn andere Autoren wie filmimperator das anders praktizieren - nicht vor dem Hintergrund geschehen sollte, dass ich selbst eventuell eine bessere Kritik zum Film verfasst hätte. Mein Review tut hier erst einmal gar nichts zur Sache und steht auch nicht zur Diskussion an dieser Stelle. Du gehst auf meine Punkte eigentlich nicht wirklich ein, sondern verweist direkt auf meine Besprechung des Films, was ich relativ deplatziert finde. Da es nun aber so ist, sei noch gesagt, dass mein Review eine reine Polemik darstellt, die nicht ohne folgende Kriterien betrachtet werden kann - Aufftraggeber, Plattform, Intention. Es ist nicht Sinn des Reviews gewesen, argumentativ zu analysieren, es ist eine Stimmungsmache bzw. -wiedergabe, die ich nicht als Vergleich zu deinem Text einbringen wollte. Zu deinen Kritikpunkten an meiner - wie du sie im Wesentlichen charakterisierst - populistischen, stereotypen, manipulativen, lakonischen Besprechung sei gesagt, dass du völlig Recht hast und das eigentlich überhaupt nichts zur Sache tut. Für die ofdb, also ohne jegliche  Einschränkungen, hätte mein Text sicherlich anders ausgesehen, auch wenn deine Kritik zu meinem MIST-Review duchaus grundsätzlich zu verstehen ist - du mich für eloquent, aber ohne Bodensatz agierend halten magst. Akzeptiert.

Zu einer schon bei POSEIDON aufgekommenen Diskussion um rein didaktische/methodische Filmanalyse: Ich halte sie für unabdingbar, zwar nicht immer notwendig, aber auch nicht gänzlich ignorierenswert, wie es mir bei dir den Anschein hat. Mit rein interpretatorischen Herangehensweisen kann man letztlich selbst den größten Schrott sezieren, ohne dass es was zur Sache täte. Ich bilde mir übrigens nicht ein, deine ironische Haltung lässt dies vermuten, wirklich Ahnung von der Filmanalyse zu haben. Aber ich habe erst einmal eine Meinung. Und diese ist entscheidend für meine schriftliche Auseinandersetzung mit einem Film, die nicht nur inhaltlich abhandelnd erfolgen sollte. Zu meiner Verteidigung, denn du hast bereits in der Vergangenheit angebracht und geäußert, dass du nie Inszenierungsstile, filmische Gestaltungsmittel, evaluative Elemente, vor allem auch Semantik und Syntaktik sowie den filmischen Code bewerten willst, muss ich dennoch anbringen, darüber gern und lange theoretische Sekundärliteratur zu studieren, sowie Praxiserfahrungen gesammelt zu haben. Dennoch meine ich, kann jeder und sollte jeder eine Meinung dazu haben und dieses so bedeutende Feld nicht derart vermeiden, wie ich es bei dir vermute. Die Regie ist das Zentrum des Films, alles andere ist drumherum geredet.

Zur Gay Harden-Figur: Ich bin schon nicht ganz doof und kann durchaus einschätzen, inwiefern eine Figur hinsichtlich ihrer Vermittlungsintention angelegt ist. Wäge ich die gewollte Wirkung ihrer dargestellten Person gegen die Art, wie sie diese Person darstellt, ab, komme ich zu besagtem Ergebnis. Vor allem, wenn ich mir in Erinnerung rufe, wie andere Filme ähnlichen Sujets radikale Fundamentalisten behandelten, was dazu führte, dass man zwar die Figur, nicht aber das Schauspiel hasste. Insbesondere CHILDREN OF MEN kommt mir da spontan in den Sinn, den du, Bretzelburger, bezeichnenderweise schlechter als THE MIST bewertet hast...

Bretzelburger

Das du die Gegenüberstellung unserer Reviews nicht goutieren würdest, war mir klar, aber mir schien diese Form der Analyse per Gegenüberstellung, die letztendlich nur aussagt, dass wir in unserem jeweiligen Stil nicht unbedingt in die Tiefe gingen, am aussagekräftigsten.
Ein paar deiner Aussagen möchte ich dennoch widersprechen. Zum Einen ist mir die Unterschiedlichkeit deines Stils zwischen OFDb und sagen wir mal "Manifest" bisher nicht besonders aufgefallen. Aber mir ist selbstverständlich bewusst, dass du gerade an ältere Filme ganz anders herangehst und wesentlich differenzierter analysierst - nur solltest du mir das auch zugestehen. Einen Film wie "Der Nebel" betrachte ich anders als zum Beispiel "Kinder des Olymp". Deshalb hielt ich in diesem Fall den Vergleich für angebracht, keineswegs als generalisierende Aussage.

Es ist auch nicht richtig, dass ich Schnitt, Score, Bildaufbau, szenische Organisation usw. immer ausser acht lasse, tatsächlich liegt darauf aber nicht mein Schwerpunkt. Was ich aber bei dir kritierte, war nicht die Erwähnung solcher Kriterien, sondern eine Art des Herunterputzens, die mit einer tatsächlichen Analyse in dieser Sache nichts gemein hat. Ich bin mir übrigens sicher, dass du davon mehr Ahnung hast, auch wenn ich mich selbstverständlich auch ständig weiterbilde (das macht schlißlich Spass). Ich beschäftige mich allerdings stärker mit interpretatorischen Analysen, versuche mein Wissen über das Gesamtkunstwerk Film in allen Facetten zu erweitern und stosse damit schon auf eine natürliche zeitliche Grenze. Doch wenn man sich mit einem Neuerer wie Kluge auseinandersetzt, kommt man auch um die Technik nicht herum. Ich bestreite aber, dass ich nicht deutlich in meiner Meinungsäusserung bin. Eine klare Meinung zu haben, heisst aber nicht, sie so vehement zu verfolgen, dass Gegenmeinungen keine Berechtigung haben.

Fastmachine

13 Januar 2008, 15:59:47 #830 Letzte Bearbeitung: 14 Januar 2008, 10:31:08 von Fastmachine
Zunächst: Ich kenne "The Mist" nicht.

Beim gegenwärtigen Stand der Diskussion innerhalb und außerhalb der OFDb habe ich ihn als inhaltlich und formal sehr mäßigen Verschnitt aus altbekannten Genreelementen für mich einsortiert. So einen Film muss ich wirklich nicht gesehen haben. Da vergleichbarer Unfug nicht eben selten auf den Markt kommt und einem die Lebenszeit stiehlt, scheint mir eine analytische Polemik, wie sie Mr.VV vorlegt, eine einleuchtende Wahl für die Reviewform.
Dass ein so ganz anders denkender Autor wie Mr.Hankey diesem Film ebenfalls wenig abgewinnen kann, gibt mir schon sehr zu denken.

Nun hast Du offenbar etwas in dem Film gesehen, was Dich so nachhaltig irritiert hat, dass Du zu einer völlig anderen Lesart des ganzen Films kommst und schließlich 8/10 vergibst. Das ist eine Bewertung, die mich nun doch noch neugierig auf den Film machen könnte. Und war es nicht schon immer dein Anliegen, nicht zu viel zu verraten, und Leute, die den Film noch nicht gesehen haben, neugierig zu machen?

Hier liegt für mich das Problem deines Reviews. Du beschreibst zwar inhaltlich sehr ausführlich einige Situationen, deren Besonderheit Du gegenüber verbreiteten Genrekonventionen herausstellst, aber diese Beschreibungen bleiben eigentümlich wenig fasslich. Im Grund finde ich deine Beobachtungen interessant, nur wird mir eben nicht deutlich, wie Du daraus qualitative Argumente ableitest, die eine 8/10 Bewertung rechtfertigen.

Es wird, wie Du schreibst, eine psychologische Entwicklung innerhalb einer Gruppe geschildert, die vor einem nicht eindeutig lösbaren Problem steht. Wenn das deiner Meinung nach die Qualität des Films sein soll, ergibt sich für mich die naheliegende Frage: Wie geschieht dies genau? Eine zumindestens angedeutete Antwort im Review würde mich neugierig machen. Dazu finde ich sehr wenig bei Dir, dagegen noch im letzten Absatz merkwürdige Aussagen wie:
Zitat"Der Nebel" wird trotz diverser Dialogschwächen, manchmal unerklärlich lang ausgewalzten Szenen und einem in emotionalen Situationen überforderten Thomas Jane zu einem Genrebeitrag, der einer bekannten Ausgangssituation neue Aspekte hinzufügt.
Das sind fast die einzigen qualitativ wertenden Argumente in deinem Review, bezeichnenderweise negative.

Meiner Meinung könnte dein Review erheblich an Überzeugungskraft gewinnen, wenn Du deine subjektiven Eindrücke über die inhaltliche Irritation in einem Absatz ordnen und strukturieren würdest, sodass sie in begründbare Argumente münden.

Übrigens: Ich meine damit keine filmwissenschaftliche Analyse, geschweige denn eine ausgebreitete Fachterminologie, die mir, da selbst nicht vom Fach, auch etwas fremd ist. Für mich zählt ganz allgemein, im sprachlichen Fluss der Sätze zunehmend argumentative Deutlichkeit zu gewinnen. Welchen Weg und welche Breite der Sprachfluss nimmt, ist zunächst nicht wichtig, wenn man am Ende deutlich genug geworden ist. In deinem recht breiten Sprachfluss habe ich einiges interessante Beobachtungstreibgut ausmachen können, das allerdings einigermaßen ins analytische Nirgendwo schwimmt.

Ich finde es etwas schade, dass Du dich durch die Diskussion angegriffen fühlst. Wie gesagt: Ich kenne den Film nicht. Aber gesetzt den Fall, deine Beobachtungen wären zutreffend, könnte ein deutlicheres Review, das eine abweichende Meinung vertritt, ein großer Gewinn sein.
Ich bitte Dich also darum, dein Review etwas weiter argumentativ zu verdeutlichen. Ich möchte von dir überzeugt und nicht überredet werden.

Ich mag keine Filme; die verblöden nur. (Alfons d. Ä.)

filmimperator

13 Januar 2008, 18:32:15 #831 Letzte Bearbeitung: 13 Januar 2008, 18:38:07 von filmimperator
Zitat von: Mr. Vincent Vega link=topic=73464.msg660096#msg660096
Ich habe dein Review gelesen und meinen Eindruck darüber geschildert, was - auch wenn andere Autoren wie filmimperator das anders praktizieren - nicht vor dem Hintergrund geschehen sollte, dass ich selbst eventuell eine bessere Kritik zum Film verfasst hätte.

Wenn schon mal wieder mein Name fällt: Das hab ich so nicht behauptet. Schön wie mir alle zuhören. Es ging lediglich um eine Stil-Diskussion, nicht darum, dass ich jemals behauptet hätte, meine Kritiken wären generell besser als die von Anderen. Aber die Diskussion ist ja mittlerweile durch. Punkt.

Und wegen der Rolle von Mrs. Carmody und ihren Ableben in "The Mist": Bretzelburger, du hast recht. Ein Konventionsbruch ja, schon irgendwie. Aber das kann man nicht wirklich als originell betrachten. Wie war das eigentlich im Buch? Auch so?
Unterschiedliche Meinungen? Chuck Norris interessieren nicht mal die Fakten!

Bretzelburger

13 Januar 2008, 19:37:08 #832 Letzte Bearbeitung: 13 Januar 2008, 19:38:40 von Bretzelburger
Zitat von: filmimperator am 13 Januar 2008, 18:32:15
Wenn schon mal wieder mein Name fällt: Das hab ich so nicht behauptet. Schön wie mir alle zuhören.
Nimm das mal nicht so tragisch, denn Nebenbemerkungen gehören hier nun einem zum guten Stil :andy:. Ich habe das glatt überlesen, weil das mit meiner Diskussion mit Mr.VV inhaltlich nichts zu zun hat.Ich hatte das nicht verwechselt.

Zu dir und Fastmachine :

Ich habe Kings Novelle nicht gelesen, was ich auch nicht behauptet habe und was ich für die Beurteilung des Films als Kinoseher erst einmal nicht wesentlich finde. Natürlich könnte man vergleichende Studien dazu machen, ob Kings Version konsequenter oder Darabonts Sichtweise innovativer, läppischer usw. ist, aber das ginge sehr ins Detail und würde die Betrachtung zum Film als solche nicht ändern. Dass das Ende anders ist, gehört zum Allgemeinwissen - ich halte Darabonts Version in diesem Punkt für sehr gut, aber ob auch besser als Kings kann ich nicht beurteilen.

Ich werde die Review überarbeiten, denn ich fand die Kritik insgesamt konstruktiv und nachvollziehbar. Allerdings weiß ich noch nicht, ob es mir gelingen wird. Nur - auch wenn es mit meiner Kritik nichts zu tun hat - halte ich Mr.VV's Kritik keineswegs für besser begründet, nur eben deutlicher in seiner Meinung, was bei Verrissen naturgemäss leichter ist.

filmimperator

Zitat von: Bretzelburger am 13 Januar 2008, 19:37:08
Nimm das mal nicht so tragisch, denn Nebenbemerkungen gehören hier nun einem zum guten Stil :andy:. Ich habe das glatt überlesen, weil das mit meiner Diskussion mit Mr.VV inhaltlich nichts zu zun hat.Ich hatte das nicht verwechselt.

Ok. Alles klar  :icon_cool:.
Unterschiedliche Meinungen? Chuck Norris interessieren nicht mal die Fakten!

Bretzelburger

Mal ein kurzes Statement hier, für das ich keinen Thread aufmachen will - auch weil es ein bisschen mit meinen Reviews zu tun hat.
Ich habe eben im Radio einen Bericht über den Sieger der slowakischen Version von "DSDS" gehört, bei der es eine Besonderheit gab. Die "Superstar"-Siegerin Vera ist eine 16jährige Roma, die in den slowakischen Slums aufgewachsen ist, weshalb sie als einzige Teilnehmerin kein Kamerateam zu sich nach Hause liess. "Slums" in der Slowakei und damit in der EU, hört sich für unsere Ohren immer wie eine "light"-Version an, da man keine wirkliche Vorstellung von diesen Verhältnissen und der ausgebeuteten Hoffnungslosigkeit hat - wer "Import/Export" gesehen hat, weiß ,wie es da wirklich zugeht. Auch das macht diesen Film so besonders.

Bretzelburger

Ich habe den "Nebel"-Text aus meiner Sicht umfassend überarbeitet und versucht, argumentativ exakter meine positiven Aspekte herauszuarbeiten, ohne mehr zu verraten. Ich erwarte keine übertriebenen Reaktionen, aber es würde mich schon interessieren, ob mir das gelungen ist, weil ich häufug die Erfahrung gemacht habe (siehe zuletzt McKenzies Einschätzung meiner überarbeitete Antonioni-Trilogie), dass der Aussenstehende diese Veränderungen nur unwesentlich findet.

Happy Harry mit dem Harten

Aha - wer schreibt denn hier seit kurzem auch Inhaltsangaben zu noch nicht gesichteten Filmen?  :icon_lol:

http://www.ofdb.de/view.php?page=inhalt&fid=140225&sid=271318
http://www.ofdb.de/view.php?page=inhalt&fid=140194&sid=271362
http://www.ofdb.de/view.php?page=inhalt&fid=137619&sid=271331

Ist es die Gier nach noch mehr Abrufzahlen oder haben dich die Argumente von mir und den anderen doch überzeugt, das dieses Verfahren durchaus legitim sein kann?  ;)

Bretzelburger

Nachdem ich mehrfach versucht habe, das Thema kritisch zu beleuchten und dabei so viel Interesse erfahren habe, dass selbst der Sack Reis in China über mich gelacht hat, habe ich zumindest bei den Filmen, deren literarische Grundlage ich kenne oder deren Inhalt ich gut recherchieren kann, begonnen, frühzeitig Inhaltsangaben zu schreiben - immerhin eigene Texte und nicht der von anderen zitierte Müll. Meine Haltung hat sich nicht im Prinzip geändert, aber so erfahre ich  - wie man an deiner Reaktion erkennt - mit dieser Massnahme mehr Aufmerksamkeit.

Vince

Noch kurz ein Wort zu deiner Überarbeitung, das dir aber vermutlich nicht sehr viel weiterhelfen wird: ich meine in jedem Fall eine Verbesserung erkannt zu haben, einige Dinge sind deutlicher geworden, besonders der Aspekt des in-die-Irre-führens durch Darabont, wobei mir jetzt zugleich irgendwie mehr Inhaltsangabe (über die ganze Kritik verteilt) auffällt, das kann aber auch alles Einbildung sein. Du hast recht, zumindest bei dieser Textsorte werden Abänderungen abgesehen vom Autoren selbst von den meisten Lesern nicht so recht registriert, solange sich die Argumentation nicht entscheidend ändert. Man liest Kritiken halt im Normalfall beiläufiger als etwa einen wissenschaftlichen Text. Einen allzu großen Aufwand rechtfertigt eine solche Überarbeitung meines Ermessens also eigentlich nicht (wobei ich das jetzt auch nicht pauschalisieren will), der Mehrwert ist vermutlich zu gering - es sei denn, man nimmt die Änderungen in erster Linie für sich selbst vor.

Bretzelburger

Zitat von: Vince am 15 Januar 2008, 13:16:56
wobei mir jetzt zugleich irgendwie mehr Inhaltsangabe (über die ganze Kritik verteilt) auffällt, das kann aber auch alles Einbildung sein.
Ohne näher in die Materie einzusteigen, kann man nur sehr schlecht seine Argumentationen verstärken. Das ist der Nachteil daran.
Zitat von: Vince am 15 Januar 2008, 13:16:56
solange sich die Argumentation nicht entscheidend ändert.
Darum ging es - so weit ich die Kritik verstanden hatte - nicht, sondern um die bessere Nachvollziehbarkeit meiner Argumente. Im Grunde bleibt es bei dem, was ich schon zu Mr.VV's Kritik gesagt habe, und weshalb ich seine Review hinzuzog. Wer einen Film verreisst, braucht keine Argumente und muss auch nicht zu tief in den Inhalt eintauchen. Da genügen Begriffe wie "Super-Pappi" und alle nicken, auch wenns noch so falsch ist. Ich mache ihm das gar nicht zum Vorwurf, da ich selbst gerne Verrisse schreibe, aber hier erging es mir anders und dazu noch nicht einmal besonders konkret, was meinen Text naturgemäss erschwert hat.

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